Fishattacks

Den Wind vom Flamisch Cap

Die folgende Geschichte, habe ich für das Fachmagazin Rute & Rolle geschrieben. In etwas anderer Form wurde der Artikel in der Ausgabe April 2010 veröffentlicht.

Irgendwann einmal auf den sagenumwobenen Grandbanks oder gar auf dem legendären Flemish Cap zu fischen, genauso wie es die Mannen um Kapitän William Tyne getan haben. Auf der Jagd nach Schwertfisch im Nordatlantik, das wäre noch mal der absolute Traum, dachte ich mir und wurde mit einem Peitschenknall aus dem selbigen erweckt. Der Knall wurde durch das Abreißen der Selbsthakmontage erzeugt, die vorher mit Klebeband an der 130 Pfund Rute befestigt war. Tumultartige Szenen spielten sich ab, der Bootsmann kurbelte wie von der Tarantel gestochen die zweite Rute ein, der Kapitän drehte noch einmal das Boot und mein Freund Kai fuchtelte wie wild mit seinen Armen, dass ich endlich auf dem Kampfstuhl Platz nehmen sollte. Jetzt war mir klar, dass es kein Zurück mehr geben sollte. Der Kampf hatte begonnen.

Mein erster Bluefin

Mein erster Bluefin

Es war zwar nicht das Flemish Cap und auch kein Schwertfisch, der am anderen Ende der Leine kämpfte, sondern kein geringerer als der Atlantische Blauflossenthun. Mir war es in diesem Moment vollkommen egal, denn dieses Erlebnis sollte alles Bisherige in den Schatten stellen … Nach knapp zwanzig Minuten Drillzeit konnte ich den Fisch bezwingen, später sollte sich herausstellen, dass er es auf stattliche 150 Pfund bringen sollte. Laut den Fischern hier in Nova Scotia gehören diese allerdings eher zur Kinderstube. Ausgangspunkt für unser Abenteuer war das kleine Fischerdörfchen Canso, welches sich malerisch in einer kleinen Bucht befindet. Die Boote, mit denen es zum Fischen gehen sollte, waren so geräumig, dass eine ganze Fußballmannschaft darauf Platz gefunden hätte und wir waren, abgesehen vom Kapitän und Bootsmann, nur zu zweit. Auf dem Weg zu den ersten Fischgründen, die schon nach etwa zwanzig Minuten erreicht waren, wurde erst einmal auf ein paar frische Makrelen geangelt. Unterwegs konnten wir des Öfteren schon die Thune rauben sehen. Das Ganze läuft eigentlich genauso ab wie in Norwegen, wenn irgendwelche Räuber Kleinfische an die Oberfläche treiben. Nur hier sind es Thunfische, die bis zu 1000 Pfund schwer werden können und manchmal sogar noch größer werden. Der noch immer bestehende Weltrekord von Ken Fraiser mit sagenhaften 1234 Pfund aus dem Jahre 1987 wurde hier, in Nova Scotia, gefangen (siehe oben, welches Jahr stimmt?). Es ist phantastisch wenn man beobachten kann, wie solche Kolosse an der Oberfläche rauben und sie sich des Öfteren mit ihrer ganzen Masse aus dem Wasser schrauben. Wenn ich dann an die Makrele denke, die im nächsten Moment, von einem dieser Riesen genommen wird, kann es einem schon Angst und Bange werden.

Im Drill

Im Drill

Das Angeln auf diese Großräuber ist absolut nichts für schwache Nerven, so wird das erste Adrenalin schon beim Köder setzen ausgeschüttet. In der Regel wird hier das so genannte Kitefischen praktiziert, welches wie folgt von statten geht: Als erstes wird eine frische Makrele an einem 10/0 Haken, die durch den Rücken angeködert wird, ca. 20-30 Meter vom Boot angeboten. Die Makrele wird so angeboten, dass sie immer wieder die Wasseroberfläche durchstößt. Dann heißt es warten, bis wieder ein Trupp von den Jägern in deren Nähe kommt. Der Anbiss  ist der nächste Moment, in dem es für den Angler spannend wird. So dauert es einen kleinen Moment, bis sich der Thun den Köder zurechtgelegt hat, um dann mit Höchstgeschwindigkeit auf einmal das Weite zu suchen. Die  besagte Selbsthakmontage fliegt dann mit einem dumpfen Schlag von der Rute. Es ist einmalig zu sehen, wie die größte angelbare Rolle Meter um Meter Schnur frei gibt und das alles in Sekunden von Bruchteilen.

Kaum hat sich der Angler von diesen ersten Eindrücken erholt, geht das eigentliche Spektakel los, der Kampf mit dem Koloss. Der Vorteil in diesem Gebiet ist auf jeden Fall, dass hier in sehr flachem Wasser gefischt wird. So haben die Fische nicht die Möglichkeit, in tiefes Wasser zu flüchten und die komplette Rolle leer zu reißen. Kleine Fische, und das sind hier in Nova Scotia Fische im 100-200 Pfund Bereich, sind dann mit dem 130 Pfund Geschirr relativ schnell ausgedrillt. Aber auch ein kurzer Drill von weniger als einer halben Stunde hat es absolut in sich. Man spürt die unbändige Kraft dieser Giganten mit jedem Körperteil. Die zweite Art, um an den begehrten Fisch zu kommen, ist nicht weniger unspektakulär. Das so genannte Downbaitfischen verhält sich nach dem Anbiss genauso wie das mit dem Kiten, allerdings unterscheidet es sich darin, dass die Makrele 10-20 Meter unter der Wasseroberfläche angeboten wird. Als Bissanzeiger dient eine leere Plastikflasche. Der Vorteil liegt klar auf der Hand, die Möglichkeit einen Köder an der Oberfläche zu präsentieren sowie einen weiteren in anderen Wasserschichten, erhöht die Chancen, die Thunfische anzulocken und zum Biss zu provozieren. Für Angler, die sich nicht nur mit den Thunfischen messen möchten, besteht die Möglichkeit, nebenbei auf Dorsch und andere Räuber zu Fischen. Die Dorsche hatten ein Schnittgewicht bis zu10 Pfund.

Nebenbei auf Dorsch

Nebenbei auf Dorsch

Die Angeltiefen für die hier erwähnten Fischarten liegen in der Regel bei 30-80 Metern. Wir konnten auf dieser Tour sechs Blauflossenthune an das Boot bringen, davon fing Kai den größten mit satten 561 englischen Pfund. Zusätzlich hatten wir auch noch 3-4 Attacken pro Tag, an denen die Montage von der Rute gerissen wurde. Hinzu kamen noch diverse Sprünge, so genannte Splashes, wenn die Thune Makrelen jagen und dabei aus dem Wasser kommen.

Ich konnte bisher nur selten so ein grandioses Naturschauspiel wie in Nova Scotia erleben. Jeden Tag konnten wir Robben am Boot sehen, Wale, Adler und natürlich die begehrten Thunfische. Außerdem konnte man direkt im Hafen Hummer beim Fressen beobachten. Die Anfahrt in das kleine Hafen Örtchen Canso führt wie im besten Road Movie durch lange Passagen von Wäldern, die im Herbst orange- bis rotgetüncht  die typische Indian Summer Farbe annehmen.

Beim Schreiben dieser Zeilen läuft  mir schon wieder ein kleiner Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke, wie diese Giganten auf Raubzug gehen.

Info 1: Flämishe Kap/ Grand Banks

Die Grand Banks(Neufundlandbank), liegen c.a. 300 Seemeilen östlich von Neufundland entfernt und sind eine Gruppe von Unterwasserplateaus. Hier treffen in geringen Wassertiefen, der warme Golfstrom sowie der kalte Labradorstrom auf einander. Dadurch ist dieses Gebiet natürlich besonders Fischreich aber auch bekannt und gefürchtet, für seinen hohen Seegang. Das Flämische Kap, liegt noch weiter Nordöstlich und befindet sich direkt am Kontinentalshelf.

Info 2: Der Sturm (orig. the perfect storm)

Der Sturm ist ein Film von Wolfgang Petersen und basiert auf wahren Begebenheiten. Die Handlung befasst sich mit Fischern, die auf den Grand Banks & am Flämisch Kap auf Schwertfischfang gehen. William „ Billy“ Tyne, Kapitän der Andrea Gail manövriert das Schiff, nach erfolgreichem Fischzug, durch einen Jahrhundert Sturm.

Absolut empfehlenswert.

Info 3: Blauflossenthunfisch (Thunnus thynnus)

Der atlantische  Blauflossenthunfisch, der auch großer oder roter Thunfisch genannt wird, ist die größte Art der Thunfischfamilie zu der natürlich auch Makrelen gehören. In der Mitte des letzen Jahrhunderts wurde sogar in der Nord­-  und Ostsee auf diesen Fisch Jagd gemacht. Der große Vorteil, an der Fischerei, an der Kanadischen Ostküste, ist die starke Reglementierung. Selbst die Berufsfischer dürfen die Thune, nur mit der Angel befischen. Der blaue Thunfisch, steht im Mittelmeer sowie im Ostatlantik unter massiven Befischungsdruck. Leider ist es im Mittelmeer und im Nordostatlantik immer noch erlaubt mit Netzen zu fischen.

Info 4: Neuschottland/ Nova Scotia

Kein Punkt in dieser kleinen kanadischen  Provinz ist weiter als 60 Kilometer vom Wasser entfernt, dementsprechend kann man sich vorstellen, dass sich hier fast alles um die Fischerei dreht. Es wird fast ausschließlich Englisch gesprochen. Die Währung ist der Kanadische Dollar. Das Klima ist mit dem in Nordeuropa zu vergleichen. Ab Mitte September beginnt hier der Indian Summer und geht bis Ende Oktober.

Info 5: Dorschbestand

In den siebziger Jahren, des vergangenen Jahrhunderts, sind die Kabeljaubestände, vor der kanadischen Küste, wegen Überfischung, vollkommen zusammen gebrochen. Im Jahre 1992 verhängte die kanadische Regierung ein absolutes Fangverbot für Kabeljau vor der Küste Neufundlands. 1994 musste das Fangverbot auf die gesamte kanadische Ostküste ausgedehnt werden. Der ehemals reichste Fischbestand der Welt war durch Überfischung vollständig zusammengebrochen und hat sich bis heute nicht erholt. 40.000 kanadische Fischer verloren ihren Unterhalt.

Info 6: Boote

Zum Fischen geht es mit großen, geräumigen 40 Fuß Booten, die extra zum Thunfischfang konzipiert wurden. Im Bug gibt es eine vernünftig große Kajüte zum aufwärmen und im Heck befindet sich ausreichend Platz um Theoretisch, mit zehn Angler zu fischen. Ein Kampfstuhl ist vorhanden. Ab 2010 soll es auch möglich sein Stand up zu fischen.

Info 7:Canso

Das kleine Hafenstädtchen, liegt ca. 15 Autominuten von den Unterkünften entfernt. Nach dem Fischen gibt es außer an Feiertagen keine Probleme den Supermarkt, Bank etc. zu besuchen.

Skipper Sandy & Ich mit der Weltrekord Rute

Skipper Sandy & Ich mit der Weltrekord Rute von Ken Fraiser

Mehr Infos direkt auf der Seite von Thomas Schmidt www.tunaxxl.com

Den Original Artikel aus der Rute & Rolle Ausgabe April 2010, findet Ihr hier Kolosse vor der Küste